Der Gefangene der Wüste - Joseph Delmont

Der Gefangene der Wüste

von Joseph Delmont

  • Veröffentlichungsdatum: 2017-02-20
  • Genre: Belletristik und Literatur

Beschreibung

Einem Orkan gleich jagten die jungen wilden Kamele über die Sandsteppe. Mit geblähten Nüstern, Schaum vor dem Maul, raste der Tarpan, das verwilderte Steppenpferd, hinter den Flüchtenden her.
Johnny Kilburn drückte dem Renner die Schenkel in die Flanken, feuerte ihn mit Zungenschnalzen und zurufen an und schwang das Lasso über dem Kopf. Seine Augen glühten, er schämte sich seines Tuns, bedauerte die armen gehetzten Tiere, aber schon seiner eingeborenen Begleiter halber durfte er sich keine Blöße geben.
Er hatte seinem Stammhause in Liverpool versprochen, lebende wilde Kamele zu liefern. Trotzdem ihn die eingeborenen und tibetanischen Hirten und Mandschurem die er für die Expedition zusammengestellt hatte, warnten, daß man noch niemals imstande war, ein lebendes wildes Kamel heil einzufangen, daß dies noch keinem Menschen gelungen, ließ Johnny sich nicht abhalten und zog von Kan-Tschou nordwestwärts, der Wüste Gobi zu.
Der grauenvollen, menschenmordenden Wüste, dem fast vegetationslosen Landstrich mit seinem untrinkbaren Wasser in den endlos vielen, kleinen Salzseen. Der Todeswüste, die nur wenigem Getier Nahrung gibt, die mit ihrem kurzen, heißen Sommer, dem eisigen, an Schneestürmen so reichen Winter Mensch und Tier vernichtet.
Kümmerlich der niedrige Graswuchs, den, ob seines Salzgehaltes, die Tiere verschmähten. Schutt und Kies, auf wellenförmigen Höhenzügen, ohne Quellen, ohne Süßwasser, ohne Flüsse. Lehmsteppen, in viele Hundert Quadratkilometer Ausdehnung, jedes tierischen Lebens bar. Einzelne Felsenberge, kein Baum, kein Strauch, der darauf gedeiht. Einzelne Bäume, niedrig und schwach, werden von den wenigen Anwohnern der Wüste als Altäre der Gottheiten angebetet.
Kein Wald erquickt des Forschers Auge. Brausen im Sommer nicht Sandstürme über die Steppen, fegen keine eisigen Schneeorkane im Winter dahin, herrscht Todesschweigen.
Die für das genügsame Tier einzig in Betracht kommende Nahrung in der Wüste Gobi sind die Blattschuppen des Saxaul. Mehr Strauch als Baum, diese ärmliche, stets mit den Unbilden der Witterung um ihre Existenz kämpfende Pflanze. Die Blätter bleiben klein zusammengerollt, können sich nie entfalten. Der Samen des meterhohen Sulkhir dient auch dem Menschen als Speise.
Außer dem wilden Kamel, das nur an den unwirtlichsten Stellen der Wüste anzutreffen ist, und dem verwilderten Pferd, dem Tarpan, kann sich nur kleines Viehzeug in der Gobi halten. Nagetiere, Füchse, Wölfe und Hasen streichen vereinzelt umher, stumme ...